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Flatcar

Ein Flatcar ist ein Flachwagen, ein Universalwagen für alle Lebenslagen also. So unscheinbar er daherkommt, er ist vielleicht der interessanteste Wagen überhaupt. Seine Nützlichkeit beweist er in vielen Variationen: Mit Rungen transportiert er Langnolz, mit Bordwänden Schüttgut, mit einem aufgeschnallten Tank Dieselöl. Auch zum Personentransport eignet er sich natürlich: Vier aufgeschraubte Garten­stühle genügen! Als weit vorausschauender Gartenbahner bauen Sie also am besten gleich drei oder vier solcher Wagen...

Die Billerica & Bedford Railway

Das Vorbild für meinen Wagen lief im Osten der USA bei der B&BR. Ein gewisser George E Mansfield war nach einem Besuch in Wales, wo er der Eisenbahn auf Zwei-Fuss-Gleisen begegnet war, der Promotor für eine solche Liliputbahn in Massachusetts. Er überzeugte die Einwohner der kleinen Stadt Billerica von deren Vorteilen und wurde ihr Direktor. Die B&BR wurde 1877 eröffnet, verband Billerica mit Bedford und war knapp 14km lang. Schon im folgenden Jahr war sie bankrott und wurde liquidiert.

Mansfield war keineswegs ent­mutigt, sondern predigte weiter die Vorteile der billigen Bahn, diesmal im Bundesstaat Maine im äussersten Nordosten der USA. Die Sandy River Rail­road über­nahm 1879 Gleise und Rollma­terial der B&BR, das Netz wurde bis 1893 ausgebaut und umfasste schliesslich über 200km Strecke und zwanzig Lokomotiven. Es war das grösste Zwei-Fuss-Netz der Neuen Welt, das bis zur Wirt­schaftskrise erfolgreich blieb. Heute wird eine kurze Strecke noch als Museums­bahn betrieben.

Bahnen dritter Ordnung konnten nur überleben, wenn sie als Zubringer zu den grossen Bahnlinien genügend Güterver­kehr hatten, denn die Mobilität der Landbevöl­kerung war gering. Auch Decauville musste das mit seiner Demonstra­tionslinie Pithiviers-Toury bitter erfahren. Als Kinder des Eisen­bahnfiebers in der zweiten Hälfte des 19. Jahr­hunderts steckten alle diese Liliputbahnen in ständigen Finanznöten. Unter Dauerspar­zwang stehend bauten sie Drehgestelle und Wagenauf­bauten selber und passten die Fahrzeuge so der Auftragslage an. Aus dieser Not entstand eine fröhliche Vielfalt von Fahrzeugen, von der wir Modellbauer heute profitieren, und die uns auch die Freiheit zu eigenen Variationen gibt.

der Flachwagen - ein Universalunterbau

Der hier vorgestellte 28'-Flachwagen der B&BR ist dafür ein gutes Beispiel, denn er wurde auch als Niederbordwagen (gondola), Tankwagen (tank car), Rundholzwagen (pulpwood car) und als geschlossener Güterwagen (boxcar) gebaut. Die Umbauten erledigte die Bahngesellschaft mit einfachsten Mitteln selber, was zu jener Zeit auch noch gut möglich war: Die Wagenkon­struktion war komplett aus Holz gebaut, die Drehgestellteile wurden aus Flacheisen gebogen und zusammenge­schraubt. Es gab für mich keinen Zweifel: Ich wollte genau so bauen!

Zeichnungen und Bilder sind durchaus zu finden: Einige Originalwagen stehen im Narrow Gauge Museum in Portland USA, Zeichnungen dazu erschienen in Slim Gauge Cars [*]. Ausserdem gibt es auf der Seite der SR&CL Fotos vom Bau dieses Wagens und von seinem Einsatz auf der Strecke (Seiten Updates --> january b und july b). Sie können da auch Zeichnungen kaufen (Live Steam Supplies).

Der Wagen ist mit 28 Fuss sehr kurz, heutige Güterwagen sind 50 Fuss lang und länger. 28 Fuss entsprechen 8m40, auf ein Drittel verkleinert würde der Wagen also 2m80 lang werden. Das ist dummerweise gerade etwas zu lang für meine Holzvorräte, die alle 2m40 bis 2m50 messen. Ich habe also gemogelt - die Länge des Rahmens ist 2m48. Die Breite ist 6 Fuss, was verkleinert 0m60 ergibt, auch hier habe ich etwas verschlankt auf 0m58. Die Ladefläche steht rundherum einen Zentimeter über den Rahmen vor, sie misst also 2m50 x 0m60. Den Drehzapfenabstand habe ich mit 1m90 gewählt. Die Ladefläche liegt 0m18 über Schienen-OK. Mit diesen Angaben und der Zeichnung können Sie den Wagen problemlos nachbauen, das soll ja keine Bauanleitung sein.

das Baumaterial

Das Material ist sägerauhes Kiefernholz, das von unseren Bau- und Renovationsarbeiten übrig geblieben ist. Nur drei Dimensionen sind nötig: Latten 4x6cm und 4x3cm, sowie 2cm dicke Bretter für die Ladefläche. Als Auflagen für die Drehgestelle brauchen Sie zwei Bretter 10x3cm, 50cm lang. Alles wird zugeschnitten, mit ArboKDS oder einem anderen Imprägnierungs­mittel gestrichen und mit 6mm-Holzschrauben zusammengesetzt. Eine zusätzliche Bemalung ist meiner Ansicht nach nicht nötig, kann aber problemlos über das Holzschutzmittel gestrichen werden, wenn Sie das möchten.

Die Güterwagen dieser Epoche haben eine Verstärkung in Form eines Fischbauchs, truss-rods genannt. Diese Zuganker habe ich aus 8mm Rundeisen gemacht, zwei jeweils rund 130cm lange Stücke sind von beiden Seiten eingeführt, gebogen und in der Mitte verscheisst. Die Unterstützungen in der Wagenmitte sind aus 20x20mm T-Eisen und 50mm langen 10mm-Rundeisen geschweisst. Aus unerfindlichen Gründen gelang es mir nicht, auf die 8mm-Rundeisen M8-Gewinde zu schneiden - schliesslich habe ich halt 8mm-Gewindestangen angeschweisst. Achten Sie bei der Montage darauf, dass Sie die truss-rods zurückhaltend spannen. Ihr Flachwagen bäumt sich sonst auf wie ein Brückenbogen.

Die Halterungen für die Rungen sind aus Flacheisen und 20x40mm Vierkantrohr geschweisst, und mit 6mm Holzschrauben befestigt, die Kuppler sind aus 1¼ Zoll Eisenrohr. Weitere Dekorationen wie Fussrasten, Handgriffe und stoke pockets schauen Sie auf dem Foto der SR&CL-Wagen ab. Mein Wagen hat keine Bremse, einfach weil ich keine Drehgestelle mit Bremsklötzen habe.

die Drehgestelle Bild 6 zeigt scheamtisch die drei in die Epoche passenden Typen zu diesem Flachwagen. Zuoberst das originale Archbar-Drehgestell der B&BR mit den ausladenden Seitenteilen, an denen die aussenliegenden Bremsklötze auf­gehängt waren. Dieses Drehgestell ist mit einem Radstand von mehr als einem Meter ein Riese auf 2-Fuss Gleisen. Das Drehgestell in der Mitte zeigt das gewohntere Bild ohne die Verlängerungen der Seitenwangen, hier können die Bremsklötze allerdings nur innen aufgehängt werden. Unten ein hölzernes Drehgestell aus der Zeit des Sezessionskriegs (1861-1865), das ich auf der wunderschönen Seite von Bernard Kempinski gefunden habe.

Die aus Flacheisen hergestellten Archbar-Trucks sind in Europa auch unter dem Namen Diamond-Trucks bekannt, waren hier aber bei weitem nicht so verbreitet wie in Übersee. Weitere Informa­tionen finden Sie auf der Webseite von Hermann Jahn. Besuchen Sie auch meine Seite über Archbar-Drehgestelle.

Fazit Der Wagen ist funktional und praktisch und ich bin mit meinem Erstling ganz zufrieden. Der Holzbau hat sich als durchaus brauchbar erwiesen und meine Befürchtung, die Plattform könnte sich verziehen, war unbegründet. Das Holz war sehr gut getrocknet und es war genügend Vorrat da, ich konnte also die schönsten Latten und Bretter aussuchen. Man muss allerdings auch anerkennen, dass die Originalkonstruktion sehr gut durchdacht ist: Der Rahmen ist wirklich sehr steif. Holz arbeitet, das lässt sich nicht vermeiden, vor allem die Deckbretter wachsen und schwinden sichtbar im Lauf des Jahres - in meinen Augen ein Ausdruck des Lebens.

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