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Wenn Sie sich hierher verirrt haben, sollten Sie wissen, dass dieses Werk in mancher Beziehung unfertig ist. Es fehlen noch etliche Seiten und es fehlen vor allem die Bilder und Zeichnungen, die ich mir darin vorstelle. Was Sie freilich nicht am Lesen hindern sollte, denn die Buchstaben, die Sie sehen, sind real-existierend. Viel Vergnügen P.

2015-11-10

Peter BICKEL -- Dreissig Jahre Puydorat

Fast dreissig Jahre sind wir nun hier, im Herbst 1987 bezogen wir das Haus. Dreissig Jahre voller Erlebnisse und Abenteuer, voller Erfolge und Rückschläge. Warum nicht niederschreiben, was mich in all den Jahren bewegt hat?! Es sollen keine Memoiren werden und es soll kein Buch geben und auch keine Tantiemen bringen. Das Schreiben macht mir Freude, es ist meine Möglichkeit, mich zu erinnern. Und vielleicht macht Ihnen ja das Lesen Freude, dann sind wir beide glücklich.

Ich wünsche mir eine leichte und fröhliche Geschichte, gut zu lesen, unterhaltsam und humorvoll. Ob mir das gelingt, werden Sie wohl beser beurteilen können als ich. Und bitte sehen Sie mir die belehrenden Stellen nach, ich war schliesslich Schulmeister in einem meiner früheren Leben. So etwas verliert sich niemals, habe ich sagen hören... Und möglicherweise will ich es ja auch nicht loswerden ;-)

Wenn Sie weiterlesen, haben Sie teil an einer Unternehmung, die man heute gern als Projekt bezeichnet. Ein Projekt - sagen die Fachleute - ist ein unverbindliches Unternehmen, dessen Ausgang ungewiss, dessen Resultate klein und dessen Kosten hoch sind. Keine Frage, Puydorat passte vielleicht am Anfang in diese Defnitition, hat sie aber längst gesprengt. Es ist sehr verbindlich für uns geworden und hat allerhand Resultate bei überschaubaren Kosten produziert.

Puydorat

Aber wovon rede ich da eigentlich? Was soll denn dieses Puydorat? Geografisch ist Puydorat ein Weiler mit sieben Häusern im Périgord unter den Koordinaten B: 44.93300 - L: 0.57000 Auf der Frankreichkarte finden Sie uns in der Südwestecke des Hexagons, im Sudouest oder in der Region Aquitaine. Das Périgord ist in letzter Zeit durch Thomas Walkers Krimis mit dem Dorfpolizisten Bruno recht bekannt geworden, leidet aber noch kaum unter Touristenüberschemmung. Ausser vielleicht im August. Und hier finden Sie uns auf GoogleMaps

Sie fragen sich, was der Name Puydorat bedeutet? Wir wissen es nicht, es gibt zwei ganz unterschiedliche Spekulationen zu dieser Frage:

  • Der Name hat einen lateinisch/französischen Hintergrund: PUY bedeutet Berg oder Hügel, DORAT hat etwas mit Gold zu tun (or, doré), was dann zu goldener Hügel führen und eine bevorzugte Wohnlage bezeichnen würde. Vertreter dieser Lehrmeinung argumentieren weiter mit dem ganz in der Nähe liegenden Weiler Puymalet, den sie als schlechte Wohnlage verstehen.
  • Der Name ist eine Verballhornung eines keltischen Flurnamens, von dem es keine Spuren gibt. Die Idee ist gar nicht so abwegig, wie es scheint: Die römischen Eroberer hörten die keltischen Namen, ohne ihre Bedeutung zu begreifen. Beim Nachsprechen formten sie den Klang nach und es entstand ein neues, lateinisch klingendes Wort mit einer neuen Bedeutung.

Ich hänge der zweiten Idee an und würde gern hören, wie Historiker und Linguisten das sehen.

Innerhalb dieses Weilers ist unser Puydorat ein grosses, ehemaliges Bauernhaus mit Nebengebäuden und rund zehn Hektaren Umschwung. Schliesslich ist Puydorat ein Lebensabschnitt von bald 30 Jahren, die ich zusammen mit Margrit und unseren Gästen und unseren Tieren hier verbracht habe und vielleicht ist Puydorat der Ort, wo ich sterben werde. Oder besser: Ich wünsche mir das. Ich habe mich in meinem Leben noch nirgends so zuhause gefühlt wie gerade in Puydorat. Der Gedanke, hier zu sterben und auch begraben zu werden, erfüllt mich mit grosser Zuversicht. Hier fühle ich mich seit Jahren stark mit der Erde verbunden, hier möchte ich auch zu ihr zurückkehren.

Die Geschichte beginnt irgendwo in der Mitte der Achzigerjahre, als ich zusammen mit Margrit diese herrliche Gegend Frankreichs bereiste. Wir zogen durch die Auvergne westwärts und ich erinnere mich sehr lebhaft, wie wir uns von dieser unberührten Weite gefangen nehmen liessen. Für uns Stadtkinder war es eine Offenbahrung, die Erde, die Wälder und das Wasser zu sehen und zu riechen - wir waren offenbar offen und bereit für einen neuen Anfang. Hier könnte gelingen, was uns die teure Schweiz nicht möglich machen wollte.

Wir begannen, ein Haus zu suchen: Es sollte gross und unrenoviert sein. Es sollte einigen Umschwung haben, denn wir wollten ja Tiere halten. Es sollte in einer hügeligen Umgebung stehen, denn unsere Kindererinnerungen verlangten nach dem Modell Voralpen. Es sollte bezahlbar sein. Und es sollte uns auch noch gefallen. Etwas gar viel auf einmal, vielleicht. Es wurde eine lange Geschichte mit emotionalen Wechselbädern und einigen Enttäuschungen, aber wir wurden schliesslich fündig - Puydorat war eines der allerersten Objekte, denen wir begegneten, lange bevor wir zum Umzug bereit waren.

Der Umzug und die erste Zeit waren ein wahrer Flash! Wir waren übermütig, glücklich, voller Energie und schufteten ohne Pause. Wenn ich heute auf diese ersten paar Jahre zurückschaue, begreife ich nicht, was da mit uns los war. Es war ganz einfach wunderbar, jeden Tag so voller Freude zu beginnen und ihn müde und zufrieden zu beendigen. Ich erinnere mich sehr gern an dieser Zeit und wundere mich, wieviel wir in kurzer Zeit gemacht haben. Weil die Bäume aber nicht in den Himmel zu wachsen pflegen, erwischte uns dann irgendwann die Depression. Sie erschreckte uns nicht wirklich, denn wir hatten sie erwartet, aber sie zwang uns zwei, drei ruhigere Jahre auf. Sehr lästige Erholungsjahre eben, denn sie unterbrachen und behinderten uns. Und dann gings eben etwas geruhsamer weiter.

Unterdessen ist es ein Drittel des Lebens, die wir hier leben und arbeiten, wir sind älter und wohl auch besonnener geworden und am Haus sind die Arbeiten mehr oder weniger abgeschlossen. Wir machen, was alle Hausbesitzer tun: Wir reparieren werterhaltend all die tausend Löcher, die sich täglich neu auftun. Sisyphos lässt grüssen...! Und wir reden davon, dass wir in den nächsten Jahren Puydorat wohl werden verlassen müssen, weil uns der Unterhalt zuviel wird. Aber ich will doch hier gar nicht weg!

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