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2015-09-21

Umzug - aber wie?

Wenn grosse Konzerne wie IBM&Co ihre Mitarbeiter ins Ausland schicken, bezahlen sie eine Umzugsfirma. Die macht dann den ganzen Kram vom Einpacken übers Transportieren bis zum Auspacken am neuen Ort - eine logistische Grossaufgabe, stelle ich mir vor. Für uns Normalbürger nicht bezahlbar. Einpacken und putzen mussten wir ja wohl selber, aber einen Transporteur brauchten wir natürlich schon. Jemand hatte mir erzählt, dass zwischen der Schweiz und dem Bordelais ständig Lastwagen mit Wein hin- und herfuhren, das heisst, sie fuhren mit Wein Richtung Schweiz und leer zurück. Natürlich möchte der Transporteur die Rückfahrt mit einem beladenen Camion machen, die Leerfahrten zu verkaufen war ein einfaches logstisches Problem - meint man. Tatsächlich fand ich eine Leerfahrten-Zentrale, welche Kunden mit leeren LKWs verknüpfen sollte. Was so einfach wie logisch erschien, erwies sich in der Realität als Flop: Keine billigen Fahrten, jedenfalls nicht in den Südwesten. Später sagte man mir, ich hätte wohl viel Glück gehabt bei der Sache. Ein Lastwagen sei kein Umzugsgefährt, die Ware sei doch mehr oder weniger ungeschützt unter einer Blache und irgend eine Form von Verantwortung für kaputte Möbel würde so ein Transporteur sicher weit von sich weisen. Kurve knapp gemeistert! Dann also eine Umzugsfirma, Colussi in Bergerac zum Beispiel. Die Offerte verschlug uns den Atem - nein, so nicht!

In so einer Situation erzähle ich dann jeweils möglichst allen Leuten von meinen Sorgen und bettle um Ideen. Und ich kann Ihnen nur raten, es auch so zu handhaben, denn es kommen viele gute Ideen zusammen auf diese Weise. Eine von ihnen hiess Container und war ein Glückstreffer! Ein Container ist eine eiserne Kiste, in die man soviel laden kann, wie man mag. Dann übernimmt die Bahn die Kiste und schliesslich kommt sie wie ein Postpaket durch einen Transporteur vors Haus. Die Sache sei günstig, weil es ja keine Leerfahrten gibt. Und da wir an der Südbahn wohnten, konnten wir uns doch wohl so eine Kiste auf einem Bahnwagen mehr oder weniger vors Haus stellen lassen, daselbst befüllen und ab die Post. Weil der Bahnhof aber doch einen Kilometer vom Haus entfernt lag, hätten wir unseren ganzen Grümpel selber dahin bringen müssen - keine wirklich motivierende Aussicht. Endgültig starb die Idee dann am Schalter im Bahnhof Muri, wo mir der Beamte freundlich erklärte, sie würden die Container nur transportieren, aber nicht vermieten. Ich sollte einen Transporteur suchen, der mache das schon.

Also Branchentelefonbuch, Internationale Transporte: GONDRAND Basel. Aber klar, sagte man mir am Telefon freundlich, dafür seien sie da, man werde eine Offerte machen. Es war keine Offerte, sondern eine Offenbarung: Für CHF 3000 wollten uns die Gondränder unsere Habe von Haustür zu Haustür verschieben. Der Container würde uns am Freitag-Abend auf einem Tiefladewagen vors Haus gestellt und am Montag-Morgen gefüllt wieder abgeholt. Und es klappte fast total: Eine Woche später stand er in Puydorat mehr oder weniger vor dem Haus, alles organisiert inklusive Zollabfertigung von GONDRAND - super Service!

Einpacken und einladen

Ich habe drei Wochen gebraucht, um unsere gesamte Habe in tranportfähigen Zustand zu versetzen. Alles musste irgendwie in Schachteln oder Kartons verpackt und manipulierbar gemacht werden. Und da Bastler dazu neigen, jede alte Schraube und jeden rostigen Nagel aufzubewahren, war das eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Ich weiss schon, was Sie denken: Gelegeheit zum Ausmisten, wie sie niemals wiederkommt. Na ja, den Gedanken hatte ich natürlich auch. Aber ich hatte auch tausend Gründe, ihn nicht weiter zu verfolgen. Und wenn Sie selber kein Eichhörnchen sind, werden Sie das nie verstehen - da trennen uns Galaxien! Wir hatten einen Termin, auf den 20. Oktober 1987 lautete unser Visum und wir verstanden das so, dass wir an diesem Datum in Frankreich in unserem Haus sein sollten. Später erst zeigte sich, dass unsere Nachbarn im Westen solche Termine nicht so eng auslegen, aber da war es schon zu spät. Für waschechte Zürcher Calvinisten ist ein Termin ein Termin...

Die Operation X fand am Wochende vom 10./11. Oktober 1987 statt. Am Freitag-Abend kam der Container und am Samstag-Morgen standen sechs Helfer auf der Matte. Als erstes kam Margrits 2CV in die vorderste Ecke und wurde mit Schachtel befüllt, dann folgten unsere Möbel, all die vielen Schachteln mit Büchern, Kleidern und anderem Gerümpel. Zwei Tiefkühltruhen zogen mit, meine Drehbank und eben tausende rostiger Nägel und Schrauben. Wir hatten auch noch Pflanzen ausgegraben, unter anderem vier kleine Birken, die noch heute hier stehen. Die Helfer arbeiteten schnell und effizient, Viktor erwies sich als genialer Packer, der jedes freie Ecklein noch zu füllen wusste, Alois und Georges trugen und rollten die Sachen vom Haus zum Container. Am Mittag kochte Marlise Spaghetti, wir waren so gut vorangekommen, dass wir sogar ein bisschen herumhocken konnten.

Es war schon dunkel, als wir den Container schlossen. Im leeren Haus sassen wir schliesslich mit unseren Helfern auf einigen Kisten und tranken noch ein Glas zum Abschied. Wir sollten sie eine ganze Weile nicht mehr sehen. Am Montag-Morgen wurde der Container abgeholt und wir begannen zu putzen, campierten im eigenen Haus und genossen unsere Aufbruchstimmung. Natürlich fanden wir noch jede Menge Sachen, die eigentlich auch in den Container gehört hätten - wir füllten den Citroën damit, was nochmals eine respektable logistische Leistung war! Am Dienstag oder Mittwoch drehten wir den Schlüssel und fuhren davon - gen Südwesten und in die Freiheit...

Die Ankunft...

Puydorat erwartete uns nicht. Wenn wir je solche Erwartungen gehabt hatten, sie wurden herb enttäuscht. Elektrisch und Wasser waren ok, Telefon war tot - wir hatten ja seit April keine Rechnungen mehr bezahlt. Der freundliche Posthalter von Campsegret half uns übers Schlimmste und setzte unser Telefon in Betrieb. Trotzdem blieb der Container verschollen.

Und dann die Erlösung: Er war nicht nach Bergerac oder Périgueux, sondern nach Agen geliefert worden und würde also von dort zu uns kommen. Die Probleme begannen beim Kreuz wie so oft: Der freundliche Vietnamese weigerte sich, bis zu unserem Haus zu fahren. Ärgerlich und verständlich gleichzeitig, ich konnte mir auch nicht vorstellen, wie er je wieder nach Hause kommen sollte.

Ausladen beim Kreuz, aber wie? Ich holte also in Bergerac eine Mietcamionette und wir luden unsere gesamte Habe vom Container in die Camionette und schliesslich in die grosse Scheune. Was zwar erlaubte, den Container zu leeren, sich aber schliesslich als ziemlich idiotische Idee entpuppte, aber das wussten wir ja in dem Moment noch nicht.

Es war ein sonniger, warmer Herbsttag und ich erinnere mich an all diese Details wie wenn es gestern gewesen wäre: Eine Art Übersensibilität erfüllte mich - endlich hier...

Der kleine Vietnamese half uns mehr, als wohl in seinem Pflichtenheft vermerkt war. Am Mittag kochte ich Spaghetti Bolognese und wir sassen an einer mehr als improvisierten Tafel auf der Terrasse an der Sonne. Und ich glaube, wir waren alle ziemlich glücklich...

und dann die Überschwemmung

In den folgenden Tagen brachten wir unsere Habseligkeiten nach und nach ins Wohnhaus hinüber. Vieles kam in den Estrich und blieb dort unberührt während der folgenden mehr als zwanzig Jahre. Sie werden wohl sagen, all das hätte man auch zurücklassen können... Natürlich haben Sie recht, ich will da nichts beschönigen. Viele unserer Anstrengungen zielten in dieser Zeit darauf hin, uns dieses buchstäblich leere Haus überhaupt bewohnbar zu machen, eine ordentliche Küche einzurichten, unsere Schlafzimmer wohnlich zu gestalten. Und uns auf den Winter vorzubereiten.

Diese Friedlichkeit wurde jäh gestört durch ein wolkenbruchartiges Gewitter, das die Zufahrtstrasse und unseren Hof innert weniger Minuten in einen reissenden Bach verwandelte. Die braune Brühe floss ohne Widerstand in unseren Hof, durch das Tenntor und durch unsere noch nicht geborgenen Umzugsgüter und im Süden durch die Mauer wieder hinaus. Wir standen sprach- und machtlos da, die Gewalten wüteten, man konnte nur abwarten.

Man rette, was zu retten ist! Karton ist wenig wiederstandsfähig, aber glücklicherweise hatten wir vieles auf Paletten gelagert. Schliesslich blieb der Schaden in Grenzen, aber wir hatten gelernt, dass das Wasser von der Zufahrtsstrasse eine Gefahr darstellte. Die gesamte spätere Gestaltung des Zugangs von der Strasse her war von dieser Erfahrung geprägt.

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