Unfertiges |
2015-10-28 HaussucheWir suchten also ein Haus mit etwas Umschwung. Das Haus sollte alt und möglichst unberührt sein - ich wollte es ja selber renovieren - der Umschwung sollte die bereits berühmte Kuh ernähren und Platz für einen Garten haben. Und es sollte natürlich bezahlbar sein. Das Bauernsterben war aktuell zu der Zeit, es würde also nicht allzuviel Mühe machen, unser Traumhaus zu finden. Dachten wir leichtsinnigerweise und ahnten nicht, dass uns diese Kleinigkeit drei Jahre beschäftigen würde. Über die enttäuschende Sucherei in der Schweiz habe ich bereits berichtet. Wir wandten uns also nach Frankreich, allerdings eher ferienhalber, denn zu der Zeit mussten wir vor allem einander kennen lernen. Drei Fahrten führten uns ins Massif Central, in die Auvergne und schliesslich ins Périgord - es waren wohl die entscheidenden Eindrücke! Die Weite des Landes, das Licht, die Menschen, alles stand in hartem Kontrast zum calvinistischen Zürich und liess uns auch prompt nicht mehr los. Bereits während der zweiten Fahrt begannen wir, die Schaufenster der Agences abzuklopfen, holten die eine oder andere Adresse und schauten uns die Häuser an. Etwas befremdlich ist die Erinnerung schon: Das Haus, in dem wir später wohnen sollten, gehörte zu den ersten, die wir anschauten... Wir spürten aber auch, dass wir noch nicht entscheidungbereit waren. Die Angebote waren zu verschieden, lagen zudem an sehr unterschiedlichen Orten und teilweise grausam abgelegen. Nur der Gedanke, dass wir da vielleicht einmal einen Arzt nötig haben könnten, liess uns frösteln. Wir schauten, sprachen mit den Leuten und dokumentierten mit der Polaroid-Kamera unsere Trouvaillen. Es waren aufwendige und ziemlich mühsame Besuche, viele Häuser lagen abseits und waren ohne Fragerei nicht zu finden. Viele waren schlichte Enttäuschungen, andere waren von ihren Besitzern in gefährlicher oder geschmackloser Weise umgebaut worden, einige waren seit Jahren unbewohnt und teilweise zerfallen, andere lagen so abgelegen, dass wir Angst hatten, da verloren zu gehen... Wir kehrten voller Eindrücke und gleichzeitig verunsichert zu unserer Arbeit zurück: Nein, wir waren noch nicht so weit. Kreuz und quer durchs PérigordNach und nach wurden wir sicherer und erkannten, dass wir uns ohne jede Erfahrung auf Neuland bewegten, weder vom Wert einer Liegenschaft etwas verstanden, noch eine Ahnung vom angemessenen Preis hatten. Solche Grünschnäbel werden leichte Beute skrupelloser Agenten und übers Ohr gehauen wollten wir nun wirklich nicht werden. Zwar geben die Schaufenster der Agences einen gewissen Überblick, besser ist es auf alle Fälle hinzufahren. Die weiten Wege lohnen sich, die Besichtigungen geben Sicherheit, schulen das Auge und läutern die eigenen Illusionen. Wir haben schliesslich nach dem Besuch von zwei Dutzend Objekten gewusst, wo wir bleiben wollten und dass der Preis angemessen war. In den achziger Jahren war das Angebot an Bauernhäusern riesig und die Preise tief, denn den Bauern wurde immer schneller die Existenzgrundlage entzogen. Was wir etwas distanziert mit Bauernsterben bezeichnen, ist ein langer und schmerzhafter Prozess. Es beginnt damit, dass die Familien erkennen, dass ihr Grund und Boden sie je länger desto weniger ernähren kann. Für die Kinder gibt es keine Zukunft auf dem Hof, sie lernen handwerkliche Berufe und ziehen weg. Die Eltern bleiben im Haus wohnen, die Felder werden von Nachbarn bewirtschaftet oder verganden, das Haus wird nicht mehr richtig unterhalten und leidet. Schliesslich sterben die Alten und das Haus wird verkauft, meist an einen Franzosen aus der Stadt oder an einen Fremden. Auch geschäftstüchtige Handwerker kaufen solche Häuser, stellten sie instand und verkaufen sie weiter. Zu so einem Objekt gehören dann zwei bis dreitausend Quadratmeter Umschwung oder auch deutlich weniger, wenn es innerhalb eines Dorfes liegt. Mehr als eine Plastickuh lässt sich da kaum halten... Wir haben viele dieser Art gesehen, die meisten schon seit einiger Zeit verlassen, von Brombeeren überwuchert oder von Vandalen heimgesucht, wenn es keine unmittelbaren Nachbarn gab. Meist genügte ein Blick von der Strasse her: Nein, so stellten wir uns unsere zukünftige Bleibe nicht vor. Da und dort trafen wir Bewohner an, manchmal die Bauern selber, manchmal bereits die zweite Generation der Besitzer, die ihr Haus wieder loswerden wollte. Wir hatten dann zwar jemanden, der uns die Tür öffnete und uns hoffnungsvoll alles zeigte, wir gerieten aber auch in eine fremde, meist leidvolle Geschichte über Alter, Krankheit und Hoffnungslosigkeit dieser Menschen. Wir mussten lernen, geduldig zuzuhören und uns die Geschichten doch nicht allzu nahe gehen zu lassen - wir waren ja wegen des Hauses da. Sich in einer solchen Atmosphäre ein Bild vom Haus und seiner Umgebung zu machen, brauchte sehr viel Kraft. Wir hatten zwar gelernt, auf einige wirklich wichtige Dinge ganz bewusst zu achten, und trugen unsere Beobachtungen beim Wegfahren sofort zusammen, aber es war sehr anstrengend! Trouvaillen Auch Puydorat gehörte zu unseren ungewöhnlichen Fundstücken, allerdings nicht wegen der schönen Aussicht und auch einen Balkon gab es da nicht. Aber wir fanden da die zehn Hektaren Land, die wir sonst überall vermissten, und die Nähe zu einer Stadt mit Einkaufsmöglichkeiten und Spital. Hier waren es der verwahrloste Zustand von Haus un Umgebung, die uns zögern liessen. Auch negative Erfahrungen blieben uns nicht erspart: In Benyac fielen wir einem Agent in die Hände, der uns zu einem noch bewohnten und bewirtschafteten Hof führte. Die Gebäude lagen mitten im Dorf, die Wiesen zum Teil weit ausserhalb. Das war ausgesprochen unpraktisch, ausserdem war es viel zu teuer, der Agent sah in uns wohl vor allem die reichen und unerfahrenen Schweizer. Margrit, die in einem Mehrfamilienhaus aufgewachsen war, fürchteten die soziale Kontrolle. Und es ging weiter so: Oberhalb *** besuchten wir ein älteres Ehepaar in seinem eigenhändig renovierten ehemaligen Bauernhaus. Die Zimmer waren in französischer Art mit grossblumigen Tapeten über Wände und Decke beklebt, im Bad bedeckten meergrüne Kacheln die Wände fast bis zur Decke. Vollends den Atem verschlug uns der Dachausbau: Der Mann hatte wichtige, tragende Elemente des Dachstuhls herausgesägt, weil sie der libre Circulation, also dem Ausbau des Dachstocks im Weg waren. Beim Wegfahren überlegten wir uns, wie lange das Haus wohl noch stehe würde... Ich könnte noch weitere Eindrücke anfügen, will Sie aber nicht langweilen. FazitAlles in allem haben wir in zwei Monaten Sucherei gut zwei Dutzend Objekte gesehen und uns ein Bild von Angebot und Preisen gemacht. Wir hatten ausserdem erfahren, dass ein Schweizer grundsätzlich ein reicher Mann ist und darum aufpassen muss, dass er nicht übervorteilt wird. Vous avez un compte en Suisse? - Sie haben ein Bankkonto in der Schweiz? war eine Schlüsselfrage zu einer Zeit, da Frankreich noch penibel die Kapitalflucht überwachte. Ein Konto in der Schweiz bedeutete für einen Franzosen Reichtum und Steuerhinterziehung zugleich. Die Frage einem Schweizer zu stellen, war natürlich idiotisch, aber irgendwie verschwammen bei diesen Begegnungen Grenzen und Nationalitäten. Die Doppelrolle als Tourist und potentieller Käufer hatte uns aber auch Spass gemacht, uns mit den Leuten in Kontakt gebracht und uns manches gezeigt, was Nur-Touristen nicht zu sehen bekommen. Wir brüteten über unseren Aufzeichnungen und Bildern, suchten unser zukünftiges Paradies und kehrten in Gedanken immer wieder zu einem der allerersten Häuser zurück: Puydorat. |