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2015-11-30

Erinnerungen an unsere Feriengäste

Es wäre interessant, sie einmal zu zählen, unsere Gäste. Einige hundert werden es insgesamt wohl sein. Sie waren über all die Jahre unsere Sommerbeschäfti­gung und brachten Leben, viele schöne Gespräche und wirklich kaum Ärger nach Puydorat. Sie waren durchwegs angenehme Leute und ich bin sicher, dass viele sich in Puydorat auch porentief erholt haben, wenn sie es denn wirklich wollten und konnten. Selbstverständlich kann man die Hast des Alltags mit in die Ferien nehmen und sie hier weiterpflegen. Man kann aber auch loslassen und dazu haben wir unsere Gäste immer wieder ermutigt.

Die Menschen werden heute in Leben und Beruf ungeheuer gefordert, Leistungs- und Termindruck sind allgegenwärtig, dazu kommt die tägliche Herumrennerei. Ausser der anspruchsvollen Arbeit liegt vielen auch die Angst vor der Zukunft und die Ungewissheit ihrer Anstellung auf dem Herzen, immer begleitet von der Sorge um die Kinder. Fast ausnahmslos sind sie erschöpft und müde, wenn sie am Samstag-Abend nach teilweise langer Fahrt hier eintreffen. Und viele erscheinen uns so müde, dass sie selber gar nicht merken, wie müde sie sind. Eine sehr heikle Situation, sie verführt dazu, den Alltagsstress in die Ferien mitzunehmen. Drei Tage braucht der Mensch um überhaupt einmal hier anzukommen, etwas ruhiger zu werden und dann wahrzunehmen, dass er im Urlaub ist. Kinder und Hunde habens in einem gewissen Sinne leichter, denn sie können weder die Reise noch die neue Umgebung überspringen - sie brauchen die Tage der Anpassung einfach.

Puydorat ist ein Paradies

Ja, wie oft ist uns das gesagt worden! Auch von Kraftort oder Wallfahrtsort haben unsere Gäste geredet und uns damit zum Lachen gebracht: Wir, die wir immer hier wohnten und arbeiteten, hatten kaum solche Gedanken. Aber den Menschen, die von aussen hierher kamen, fiel zuerst der Kontrast zu ihrer eigenen Lebenswelt auf, sie spürten die Stille. Es liegt wohl auf der Hand, dass wir glaubten, Puydorat müsste auch anderen so gut tun wie uns, sie zu Ruhe und Gelassenheit führen. Und viele konnten sich hineingeben, sich entspannen und sich erholen. Und jetzt werden Sie wohl lachen: Auch wir haben in Puydorat nach und nach das Paradies gesehen...

Ich erinnere mich allerdings auch an andere, unruhige und getriebene Menschen, meist Männer, die ihr Alltagstempo im Urlaub weiterführten. Jeden Tag musste etwas unternommen werden, nur nicht stillsitzen und zurücklehnen, Wein und Essen geniessen, schlafen und lesen. Für die Familien war das oft nicht einfach: In den Ferien will es der Brauch, dass man zusammen losfährt, mitmacht bis es nicht mehr geht. Dann blieben Mütter und Kinder eben hier, während der Vater allein loszog. Wie oft haben wir Frauen zu diesem Schritt ermutigt und den Vätern die Situation erklärt.

Der Urlaub kann leicht auch zur Zwickmühle werden: Da nimmt man viel Geld in die Hand und fährt hunderte von Kilometern - das verpflichtet doch! Da kann man doch nicht einfach im Liegestuhl hocken und lesen, der Einsatz muss doch amortisiert werden. Herumliegen kann man schliesslich auch zu Hause. Wirklich? In Zürich gibts dafür einen passenden Spruch: «Hei go wone zum de Mietzins useschlaa!» (Ich geh jetzt nach Hause und amortisiere den Mietzins!)

Eine Verführung namens Périgord

Natürlich ist das Périgord nicht ganz unschuldig an diesem Druck, bietet es doch tatsächlich viele Sehenswürdigkeiten ganz besonderer Art. Und es ist schon klar: wer sie alle abhaken will in zwei Wochen, kommt ganz schön ins Laufen! Eine Form der Sammelwut ist das wohl, die ich selber gut kenne. Allerdings sind es bei mir rostige Nägel und Schrauben... Eichhörnchen-Tick nenne ich das bei mir selber - die Menge ist der Wert, nicht die Qualität. Wer sich allerdings einlässt, wird reich beschenkt. Gerade erzählte mir ein Ehepaar, wie sie sich im Garten von Marqueyssac verloren haben, gewandert sind, geschaut und die Zeit vergessen haben, bis es schliesslich zu spät war für die übrigen Programmpunkte ihrer Liste. Müde und glücklich schlossen Sie den Tag mit einem Nachtessen im Terrasse ab, weil keiner mehr kochen mochte.

Das Périgord glänzt mit seinen Sehenswürdigkeiten, von denen viele wirklich besuchenswürdig sind. Die wirkliche Schönheit dieses Landstrichs liegt meiner Meinung nach allerdings am Weg. Fahren Sie auf den Nebenstrassen durchs Land, öffnen sich Ihnen immer wieder ganz unerwartete Blicke, fazinierend und verzaubernd, eine Häusergruppe hier, ein einzelner Baum dort, Felder von Sonnenblumen oder Raps in voller Blüte, ein Wochenmarkt mit den Farben und Gerüchen des Sommers. Verzaubert wird allerdings nur, wer sich Zeit gibt. Der Weg wird zum Ziel, meinte Konfuzius.

Das Périgord ist immer noch tiefe französische Provinz. Die Landschaft war immer arm und wurde auch in der industriellen Revolution keineswegs verwöhnt. Die Männer zogen in die Bergwerke im Norden oder in den Krieg und kamen meist nicht zurück. Die Transportwege waren lang und beschwerlich, für Fabriken eben zu lang und zu beschwerlich. Es hat sich dadurch viel Rückständigkeit erhalten, die wir heute den Touristen aus dem Norden als besuchenswerte Einmaligkeiten verkaufen. Gîtes, Hotels und Restaurants beuten Höhlen und Schlösser aus wie Bodenschätze und dafür werden sie auch gehegt und gepflegt. Andere Verdienstmöglichkeiten als Dienstleistungen gibt es ja auch kaum. Das ist schliesslich harte Wirklichkeit, vom Paradies ist da nicht viel zu spüren.

Ich bin wirklich kein Périgord-Romantiker wie einige Buchautoren der letzten zwanzig Jahre. Das Périgord ist wunderschön und es ist kein Zufall, dass wir uns da niedergelassen haben, aber in irgendwelche Naturromantiken abzufahren deswegen, ist nicht nötig. Danke, Martin Walker, für Ihre schönen Geschichten! Sie zeigen meiner Meinung nach ein realistisches Bild. Und - angenehmer Nebeneffekt - sie bringen uns Kunden! Schreiben Sie weiter!

Gästeselektion

Unsere Feriengäste kommen zum überwiegenden Teil aus Deutschland und der deutschen Schweiz. Diese Weiche haben wir ganz am Anfang gestellt, als wir die ZEIT für unsere Inserate wählten. Später konnten wir bei GOOGLE Adwords einstellen, in welchen Ländern und Sprachräumen der Link auf unsere Webseite eingeblendet wird. Unsere deutschsprachigen Gäste erwiesen sich als ausgesprochen pflegeleicht, sie waren sauber und ordentlich und sehr angenehm. Wir haben viel gelacht und gezecht mit ihnen - danke!

Verhältnismässig spät merkten wir, dass wir ein eigentliches Nischenprodukt anbieten: Wir sind ein deutschsprachiger Ferienort mitten im französischen Sprachraum. Wir haben vermutlich vielen Urlaubern die Angst vor Frankreich genommen, nach 1989 dann insbesondere den Ossis, die ja mit Russisch als Fremdsprache aufwuchsen. Andrerseits scheint die Fahrerei zu uns kaum jemanden zu stören: Hamburg oder Berlin liegen gern zwei Tagereisen weg, trotzdem wird der Weg mit dem Auto angegangen. Von einzelnen wird er auch auf mehrere Tage ausgedehnt und zum Kennenlernen anderer Teile Frankreichs genutzt. Gute Idee!

Auch unser Angebot wirkt offensichtlich selektiv: Kein Pool, kein Fernsehen, keine Disco, kein Strand und kein freistehendes Ferienhaus - das spricht Menschen an, die genau das suchen, eben Ruhe und Distanz vom Alltag. Der Satz 'Kinder und Hunde erwünscht' unterscheidet uns weiter von sehr vielen Unterkünften, wie wir erfahren haben, wenn wir selber einmal unterwegs waren. Sie dürfen mir glauben, wir haben lange an diesen Vorgaben herumdiskutiert und glauben in der Rückschau, dass sie sehr sinnvoll waren - beide Teile waren zufrieden.

Einen anderen Aspekt der Gästeselektion will ich nicht vergessen, er passiert im Moment, wo wir bei der Ankunft auf die Gäste zugehen. Die Begrüssung ist ein starker, intimer Moment, wo beide Seiten einander einschätzen und wägen. Wir als Gastgeber fragen uns, wie es wohl sein wird, mit diesen Menschen zwei Wochen lang Hof und Terrasse zu teilen. Ist da Offenheit und Neugier oder Ängstlichkeit und Abwehr? Die ersten fünfzehn Sekunden einer Begegnung seien sehr wichtig für die weitere Entwicklung der Beziehung, sagen die Psychologen. Dieser erste Eindruck darf nicht endgültig sein, oft ist er aber ziemlich treffend. Natürlich machen unsere Gäste dasselbe wie wir, wie könnte es anders sein?

Die Begrüssung steht ja meistens unter einem guten Stern: Endlich angekommen, endlich aussteigen aus dem Auto! Wo sind wir denn jetzt gelandet? Ein Moment voller Neugier für alle. Indem wir einander die Hände schütteln, entspannen wir uns. Die Geste scheint auch die Hunde zu beruhigen, sie wissen jetzt, dass die Ankömmlinge willkommen sind, ab sofort gehören sie auch zur Meute. Gäste mit Hund sorgen sich oft, ob das denn gut geht mit unseren Hunden. Kein Problem, auch die Hunde sind sofort aufgenommen, auf tiefem hierarchischen Niveau selbstverständlich.

Unterweisung

Und dann führe ich neue Gäste zuerst einmal durch die Wohnung, etwa so, wie der Guide im Schloss herumführt. Allerdings nicht so gelangweilt, wie ich das selber oft erlebt habe. Denn meistens entspinnt sich eine Diskussion, manchmal gibts ein Glas Weisswein für alle. Es kommen Fragen und Bemerkungen und schon habe ich den Faden meiner Einführung verloren. Alle Müdigkeit der Fahrt ist vergessen, die Neugier ist zu gross, und oft bin ich unsicher, ob sie auch etwas behalten haben von meinen ach so wichtigen Ratschlägen.

In dieser ersten Viertelstunde bekomme ich viel Lob und Bewunderung für die Wohnung, die Küche, die Zimmer, es ist ein bisschen wie Zahltag für mich. Margrit hat alles bestens geputzt und bereit gemacht und ich ernte selbstgefällig die ersten Eindrücke - was für ein mieses Verhalten! Sie ist glücklicherweise etwas scheu und macht mir meinen Auftritt nicht streitig... Für mich läuft bei diesem Rundgang jedes Mal der gleiche Film: Ich sehe die Wohnung mit den Augen meiner Gäste zum ersten Mal, ich begegne ihr wieder neu. Eine Wohnung ist Alltag, wir kennen sie schon lange und schauen sie gar nicht mehr an. Zusammen mit den Gästen schaue ich wie sie, sehe sie bewusst und in meiner Erinnerung tauchen die Bilder vom Urzustand und von der Renovation auf. Ein schöner Moment, den ich immer wieder neu geniesse!

Vom Feste feiern bis zur Ersten Hilfe

Beim Wohnen unter einem Dach gibt es täglich Begegnungen mit den Gästen. Mit manchen bleibts beim täglichen Guten Tag! Mit anderen entsteht mehr, da kocht, isst, trinkt und plaudert man zusammen, auch gemeinsame Ausflüge machen wir manchmal. An die Felibrée zum Beispiel oder ins Dorf zum Grillfest im Sommer. Unseren Schweizer Nationalfeiertag begehen wir am 1. August unter dem Nussbaum mit Paëlla und Lampions. Und mit den Kindern backen wir Pizza im Ofen beim ehemaligen Hühnerhaus. Einen Vorwand zum Feiern finden wir immer!

Auf Kinder freuen wir uns immer ganz besonders! Sie brauchen etwas Zeit, bis sie den Spielplatz Puydorat entdecken und sie brauchen auch Hilfe von ihren Vätern und Müttern. Man muss sie zu den Tieren führen, mit ihnen in den Wald gehen, sie zum Spielen anregen und darf vor allem nicht zuviel Angst um sie haben. Unsere Hunde sind sehr lieb mit den Kindern und lassen sich gern verschmusen. Sie gehen auch gern mit auf Spaziergänge und führen Gross und Klein auch sicher zurück, denn sie kennen sich prima aus in der Umgebung.

Auch mit Hunden haben wir viel Vergnügliches erlebt! Eine Familie kam mit drei Suchhunden und liess es sich nicht nehmen, uns die Hunde vorzuführen. Ich musste mich verstecken und suchen lassen - kein Problem für diese Profis. Wir haben begreiflicherweise machmal etwas Angst, die fremden Hunde würden den Katzen nachjagen oder die Hühner beuteln. Aber Fehlanzeige: Die meisten interessierten sich überhaupt nicht für jagbares Vieh.

Und dann die Spzialisten! Mit einem Ornitologen machten wir einen Morgenspaziergang über unsere Wiesen. Um vier Uhr aufzustehen war zwar nicht leicht, der Rundgang war aber ein wirkliches Erlebnis! Mein Interesse für Vogelgezwitscher ist nicht gross, ich kann vielleicht eine Amsel von einer Krähe unterscheiden. Unter Anleitung hörte ich die Unterschiede aber auch und bewunderte das Spezialwissen dieses Mannes. Ein ähnliches Erlebnis hatten wir mit einem Botaniker, der uns die Vielfalt der Kräuter und Gräser etwas nahebrachte. Dank an alle, die uns etwas zeigen konnten!

Und dann die Kocherei, eine meiner grossen Leidenschaften. Ich bekoche gern andere Leute, lasse mich gern bekochen und koche auch gern mit anderen zusammen. Ich habe viel gelernt dabei und wohl auch einiges weitergegeben von meinen Kenntnissen. Wer um diese Schwäche weiss, bringt dann manchmal ein Kochbuch mit, Kochbücher sind ja in.

Wir helfen gern bei der Auswahl der Ausflugsziele, aber viele unserer Gäste brauchen keine Ratschläge, obwohl Zahl und Vielfalt der Ziele beinahe erdrückend ist. Natürlich hilft mein Online-Reiseführer bei der Planung, eine kurze Rücksprache mit uns hilft aber oft, Enttäuschungen zu vermeiden. Für die Wanderer hat Margrit einige Rundgänge zusammengestellt und hilft bei der Auswahl. Und dann erhalten wir nach den Ausflügen immer wieder wertvolle Rückmeldungen, die wir auch wieder weitergeben.

Heute kommen alle unsere Gäste mit einem Handy zu uns. Einer meiner Standardratschläge heisst darum: Unsere Telefonnummer einspeichern, damit wir im Notfall erreichbar sind. Für Leute ohne Französischkenntnisse ist das eine Beruhigung, habe ich mir sagen lassen. Und selbstverständlich würden wir auch jemanden holen, der zum Beispiel verunfallt ist. Das ist aber in den langen Jahren nie nötig gewesen - zum Glück! Aber Dolmetscherdienste haben wir schon einige Male geleistet.

Da war das Ehepaar, wo die Frau auf einem Ausflug plötzlich krank wurde und schliesslich in irgendeinem Krankenhaus lag. Der Arzt und der Ehemann verständigten sich mit den Händen und einigen Brocken Englisch. Wir konnten dem Arzt die Lage telefonisch erklären, wir mussten nicht einmal hinfahren.

Oder da war der Gast, der ohne Nummernschild nach Hause kam, unterwegs verloren und natürlich keine Ahnung, wo das passiert sein könnte. Er könne doch nicht ohne Nummernschild zurück nach Deutschland fahren, das bringe ihm sicher eine Busse ein. Ich ging mit ihm zur Gendarmerie und wir kamen beruhigt zurück. Dann fotografierte ich sein hinteres Schild, durckte es aus und montierte es vorn an seinen Platz. Er kam problemlos nach Hause, sein neues Schild kostete ihn fast 100 Euro...

Oder da war der Gast, der allein mit dem Fahrrad unterwegs war und im Strassengraben aufwachte mit einem Gendarmen neben sich. Der Anruf kam aus dem Spital, da lag er dann quietschvergnügt im Bett und erzählte mir die Geschichte: Er war offenbar ohnächtig geworden und gestürzt. Er hatte bereits ein Beruhigungsmittel bekommen und war bester Laune. Am nächsten Tag holten wir ihn nach Puydorat, das Fahrrad hatte die Gendarmerie an eine Strassentafel gekettet, auch das kam schliesslich unbeschädigt hierher.

Unfälle passieren ja gern am Samstag gegen Abend, wenn in der Urgence schon fast alle im Wochenende sind. Der Gast war hier beim Helfen gestolpert und hatte sich die Hand gebrochen. Es dauerte geschlagene vier Stunden, bis der Gips endlich sass - der Chirurg war eben schon beim Nachtessen und liess uns warten...

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