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20160202

Verrücktes, nicht Verwirklichtes und andere Träume

Ich bin immer voller Ideen, was man auch noch machen könnte, und Margrit weist dann auf die Realitäten hin, zum Beispiel auf die Tatsache, dass auch wir nur zwei Hände haben. Glücklicherweise hat sie das über all die Jahre zuverlässig gemacht, wir hätten uns wohl kaputtgeschuftet sonst. Auch so ist vieles unfertig geblieben, es reichte einfach nicht für alles. Traurig aber wahr: Man kann nicht alles haben. Oder wie meine Berliner Schwiegermutter zu sagen pflegte: «Man kann nicht mit einem Hintern auf sieben Hochzeiten tanzen.» Wir habens trotzdem immer wieder versucht...

Die Dreschmaschine

Einer dieser Versuche war unser Getreideanbau - ich weiss bis heute nicht, welcher Teufel mich geritten hat, uns da hineinzustürzen. Er muss aber schon in der allerersten Zeit in mir gesteckt haben. M Denoix bot uns nämlich zum Traktor passend ausser einem Mähbalken auch einen Pflug an - der Same war gelegt. Zwar ging es noch einige Jahre, dann aber pflügte ich eine Wiesenfläche um und sähte [Main/Glossar#T|Triticale]] aus. Es gedieh ganz ordentlich und schliesslich kam die Frage, wie wir es denn dreschen sollten. Mähdrescher mietet man samt Fahrer, aber die Ungetüme hätten nie durch unseren Hof hinunter ist Tal fahren können. Wir standen da iwe der Maurer, der sich selber eingemauert hat.

Dann suchen wir uns eben so eine Maschine! meinte ich. Wir fanden eine in der Nähe von Le-Buisson, in gutem Zustand und bezahlbar. Die Fahrt nach Puydorat war ein Abenteuer für sich: Das Ding war gross und schwierig zu lenken, ausserdem stotterte immer wieder der Motor und wir mussten sie mit dem Aauto abschleppen. Doch, wir kamen heil nach Puydorat und waren sofort das Stadtgespräch, so etwas Verrücktes hatten sie noch nie gesehen...

Das Dreschen war jedesmal ein Ereignis! Ich sass hoch oben auf dem Kutschbock und führte die Maschine durchs Getreide, Margrit stand seitlich auf einem Tritt und wechselte die Säcke. Das Stroh fiel in lockeren Ballen hinten heraus. Der Motor machte einen infernalischen Lärm und wir standen zwei Stunden lang in einer Staubwolke. Am Abend waren glücklich mit unseren zwanzig vollen Säcken.

Wir produzierten einige Jahre lang unser eigenes Getreide, wobei der Aufwand in keinem vernüftigen Verhältnis zum Ertrag stand: Wir hätten unser Triticale viel billiger in der Cooperative kaufen können und erst noch viel Arbeit und Ärger gespart. Da wir keinen Untertand für die Maschine hatten, stand sie die meiste Zeit des Jahres im Wald unter einer Plane und rostete vor sich hin. Mit dem Pflug hängte ich zweimal im felsigen Untergrund meines Ackers ein, dann war er Alteisen und das Getreideprojekt gestorben.

Die Dreschmaschine gibts noch, wir haben sie einem Sammler alter Landwirtschaftsmaschinen geschenkt, sie wird alle zwei Jahre bei Clermont-de-Beauregard ausgestellt.

Kläranlage biologisch

Die Abwässer unseres Hauses laufen in eine Jauchegrube, wo sie von Bakterien abgebaut werden und dann in der Wiese versickern. Irgendwann stolperte ich über einen Artikel über Bio-Kläranlagen und war sofort Feuer und Flamme: Statt die mehr oder weniger gereinigten Abwässer versickern zu lassen, könnte man sie doch biolobisch reinigen und verdunsten lassen. Dazu wollte ich der Grube einen Tümpel mit geeigneten Pflanzen nachschalten und nur den Überlauf versickern lassen. Die Bauerei war einigermassen aufwendig, denn es war eine Trockenmauer nötig. Den Tümpel kleidete ich mit einer Teichfolie aus.

Es funktionierte ein Jahr lang prima! Im zweiten Jahr begannen die Pflanzen zu wuchern, der Teich war hoffnungslos überdüngt oder zu klein oder es floss zu wenig Wasser durch das System. Jedenfalls war bereits im dritten Jahr der Teich verlandet und konnte nicht saniert werden, ohne Beschädigung der Folie. Brombeeren und Brennnesseln machten sich breit, ein übermannshoher Bambus machte sich breit und breiter, das Projekt hatte seine Eigendynamik gefunden und hätte wohl irgendwann ganz Puydorat überwuchert...

Der Rückbau war eine Sisyphosarbeit, deren Glanzlicht zweifellos das Ausgraben der fünf Quadratmeter grossen Bambuswurzel war. Neu versickern die Abwässer jetzt in der Wiese, die Trockenmauer besteht noch, sie hält die Terrasse mit der kleinen Eiche (Chène Rouge d'Amérique) unterhalb des Studios.

Wein

Auf dem Grundstück unseres Nachbarn Alain wachsen die Reben nach weiss ich wie vielen Jahren immer noch aus der Wiese, obwohl sie im Laufe der Jahre wohl tausendmal abgeschnitten wurden beim Heuen. Ein schönes Zeichen dafür, dass [1] in früherer Zeit jeder seinen eigenen Weinberg hatte und seinen Hauswein machte. Und dass [2] die Rebe unsterblich ist. Warum also nicht eigenen Wein machen?! Vielleicht hundert oder zweihundert Flaschen für den eigenen Durst, mehr konnte es nicht sein, denn die Rebfläche ist kontingentiert. Als Privatmann kann man nur schwarzen Wein machen.

Als ich dann Pierre kennenlernte, bekam ich rasch eine Vorstellung von der Arbeit, die im Wein steckt. Pierre hatte hinter seinem Haus eine Hektare Reben, machte damit seinen Hauswein und war froh um etwas Hilfe. Die Arbeit begann im Februar: Die Reben mussten geschnitten werden, dann ersetzten wir abgefaulte Pfähle und spannten neue Drähte. Aufbinden, Spritzen, Hacken und Ausbrechen der unerwünschten Triebe beschäftigt den Rebauern über den ganzen Sommer und dann kommt na ch der Ernte die wichtige Arbeit im Keller - einen Fulljob nennt man das heute! Es war mir schnell klar, dass ich neben der Restauration und den Tieren keine Kraft für einen Weinberg hatte.

Pierre war sehr grosszügig, er verschenkte seinen Wein an alle seine Freunde, und auch wir bekamen unseren Hauswein von ihm. Und ich habe ihm mit regelmässiger Hilfe gedankt. Wir haben diesen Hausmachertropfen zwar getrunken, die ganz grosse Begeisterung wollte aber nicht aufkommen: Er war herb und auch sauer, ein Bauernwein halt. Es braucht einfach mehr, damit guter Wein entsteht, neben einer ordentlichen Ausrüstung vor allem Wissen.

Schweine

Am Anfang fuhren wir noch auf der Landstrasse über Périgueux und Limoges in die Schweiz. Irgendwo an dieser Strecke liegt eingezäunt ein Stück lichter Wald und darin verstreut Unterstände für Schweine. Die Tiere schienen zufrieden, ich habe sie herumrennen und spielen sehen beim Vorbeifahren. Genau so etwas könnten wir doch auch einrichten: Eine halbe Hektare Wald und Wiese einzäunen und da eine Schweinefamilie halten. Schweine sind gescheite Tiere, haben ein lebhaftes Sozialleben im Rudel und geben nebenbei auch noch feinen Schinken. Es ist nie etwas draus geworden.

Châtaignerai

Der Wald gegenüber unserem Wohnhaus war früher eine Châtaignerai, ein Kastanienhain. Die Esskastanie (Châtaignes - Castanea sativa) war im Süden Eurpoas bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ein wichtiges Nahrungsmittel und Lieferant von Holz zum Kochen und Heizen. Mitte des zwanzigdsten Jahrhunderts zerstörte ein schwerer Sturm die Anlage, nach Aussage von Jean war sie da schon lange nicht mehr gepflegt worden. Es entstand lichter Kastanienwald, der als Tailli genutzt wurde, also nur noch Brennholz lieferte.

Wir überlegten, den Kastanienhain wieder anzupflenzen und verfolgten diese Idee auch sehr ernsthaft. Wir besuchten die landwirtschaftliche Versuchsstation beim Maison Jeanette an der N21, liessen einen Berater des Chambre d'Agriculture kommen und besuchten einige Haine im Süden der Dordogne. Im Gegensatz zu den anderen Ideen hätte dieses Projekt nur am Anfang Zeit und Geld gekostet - eine günstige Voraussetzung für uns.

Die Sache hatte gleich mehrere Pferdefüsse: Zuerst machte uns der Berater klar, dass unser Wald total neu aufgeforstet werden müsste. Es würde also ein Bagger kommen und die gesamte Vegetation vernichten. Ausserdem gäbe es keine Beiträge an die Pflanzung, nur die Kosten für die Sämlinge würden erstattet. Noch eins drauf gaben dann unsere Besuche bei den Bauern im Süden. Sie klagten über die Krankheiten der Kastanie, einerseits ein Krebs der Rinde, andrerseits eine Virusinfektion der Wurzel, gegen die es keine Hilfe gab. Wir waren entmutigt. Langfristig erwies sich der damalige Verzicht als gute Entscheidung, denn heute ist die Kastanie am Sterben. Eichen, Hainbuchen, Kirschen, Linden, Eschen und andere bekommen auf einmal Licht und nehmen mehr Platz ein. Irgendeine Hilfe in Form einer wirksamen Behandlung der Kastanie oder eine resistente Sorte ist nicht in Sicht.

Bienen

Schon in der Schweiz hatte ich den Bienenvater gekauft und beinahe auswendig gelernt, Bienen faszinierten mich schon als Schulbub. Aber obwohl die Begeisterung da war, habe ich schliesslich nichts realisiert, Bienen brauchen regelmässige Pflege und ein rechter Bienenvater muss sein Handwerk auch verstehen, man muss also einige Zeit zu einem Imker in die Lehre gehen. Zuviele Hürden damals. Irgendwann hat uns dann ein Imker gefragt, ob er seine Stöck in unseren Wald stellen dürfe. Seither haben wir Bienen und eigenen Honig und müssen keinen Finger rühren dafür - Glück muss man haben!


Heute kann ich mich lächelnd über einige unserer Um- und Irrwege äussern, sie haben uns zum Teil nur Geld gekostet und nichts eingebracht ausser vielleicht Erfahrungen.

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