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20150913

Futtersorgen

Mit zwanzig Mutterschafen und zeitweise über zwanzig Lämmern braucht es schon ganz ordentlich Futter. Was im Frühling zur Zeit der Weide kein Problem ist, kann in der sommerlichen Trockenzeit und im Januar/Februar schnell eins werden. Dann muss genügend Heu vorhanden sein - hungrige Schafe springen über alle Zäune! Wir sind mehrmals in Not geraten, obwohl wir im Verhältnis zur Futterfläche nicht zuviele Tiere hatten. Ein trockener Frühling genügt und die Heuernte ist kleiner als normal. Dann mussten wir bei einem der Bauern in der Nähe um Heu bitten. Im Périgord wird gern spät geheut, oft erst im Juli. Das Gras hat dann längst geblüht, die Halme sind strohig geworden und das Heu ist von minderer Qualität und macht nicht satt. Schafe sind ausserdem Gourmets: Sie fressen die feinen Gräser aus den Strohhalmen heraus und lassen den Rest liegen. Zugekauftes Heu war darum meist eine Enttäuschung.

Wir versuchten immer, so früh wie möglich zu heuen, möglichst schon Anfang Mai. Unser Heu war dann von guter Qualität und wurde auch gern gefressen. Aber das Wetter spielte nicht immer mit, es gab Jahre, wo wir bis Ende Juni auf eine trockene Woche warten mussten. Da wurde uns so recht bewusst, wie wir vom Wetter abhängig waren. Schon der Jahreslauf war anders, als wir ihn aus der Schweiz kannten: Anfang der neunziger Jahre waren die Sommer noch heiss und trocken, das Gras auf den Wiesen verdorrte, die Natur wartete auf Regen. Wenn dann im September die ersten Tropfen fielen, erwachte alles über Nacht zu neuem Leben, ein, zweimal blühten sogar die Obstbäume ein zweites Mal. So muss es in der Savanne sein, dachte ich. Es begann dann eine zweite Weidesaison, die bis gegen Weihnachten dauerte. Oder bis die Wiesen so durchfeuchtet waren, dass die winzigen Hufe der Schafe sie beschädigten.

Für unsere Menschenaugen fressen Schafe sehr unsystematisch, ich bin aber sicher, sie würden sich gegen diese Unterstellung wehren. Gras ist nämlich nicht einfach Gras, sondern eine bunte Mischung von Gras und Kräutern, von denen einige bevorzugt, andere beiseite gelassen werden. Und die Tiere benehmen sich ähnlich wie wir: Sie suchen sich zuerst das heraus, das ihnen am meisten schmeckt. Dabei setzen sie einen Fuss vor den anderen und zertreten dabei, was sie nicht sofort abreissen. Bei einem zweiten und dritten Durchgang nehmen sie auch die weniger beliebten Kräuter noch, hinterlassen aber schliesslich viel zertretenes Futter. Das Wundermittel gegen diese Unart heisst Portionenweide: Dabei sperrt man sie jeden Tag auf einem kleine Stück Weide ein, lässt dieses abweiden und versetzt am nächsten Morgen den Zaun. Ein aufwendiges, aber im Frühling sehr nötiges Verfahren.

Margrit hat sich all die Jahre jeden Morgen und bei jedem Wetter in die Stiefel geworfen und die Netze neu gesteckt. Die Schafnetze waren dafür wirklich praktisch, gut zu manipulieren und dank dem elektrischen Zaungerät auch verhältnismässig sicher. Denn Schafe auf der Weide beisammen zu halten, ist wie Flöhe hüten. Sobald die besten Kräuter abgefressen waren, begannen sie sich für die Welt jenseits des Netzes zu interessieren. Sie konnten das ja auch einigermassen ungestraft tun: Die dicke Wolle schützt natürlich vor dem Stromschlag.

Zufütterung

Der Mensch lebe nicht vom Brot allein, sagt man. Sinngemäss werden auch Wiederkäuer nicht von Gras und Heu allein satt. Wir haben in den ersten Jahren alles mögliche ausprobiert, um unseren Tieren einen abwechslungsreichen und gesunden Menüplan anzubieten. Vieles haben wir nur einmal probiert, es gab einfach zuviel Arbeit oder lohnte den Aufwand nicht. Einige Jahre lang haben wir Runkelrüben angebaut und immer haben wir im Herbst Fallobst verfüttert. Jean und Françoise und Ferienkinder halfen beim Auflesen, so hatten wir wenig Arbeit und die Schafe waren total versessen auf die Äpfel, auch die wurmstichigen. Einmal verschluckte sich ein Lamm in seiner Gier an einem Apfelschnitz, wir mussten es notschlachten.

Wenn im Winter die Lämmer zur Welt kommen, gibt es nur wenig frisches Futter. Heu allein füllt zwar den Magen, aber für ausreichend Milch genügt auch das beste Heu nicht. In dieser Zeit gab es für die Mütter täglich eine Portion Getreide, meist Triticale, eine Kreuzung zwischen Weizen (Triticum) und Roggen (Secale), welche die Anspruchslosigkeit des Roggens mit der Qualität des Weizens verbindet. Hei, waren die Tiere scharf auf dieses Dessert! Sie wussten ganz genau, wann es Zeit dafür war und machten unheimlichen Krach, wenn Margrit einmal spät dran war.

Eine alte Bauernweisheit sagt, dass an den Eichen die kräftigsten Schinken wachsen. Das Sprichwort spielt auf die Eichelmast an, die bis ins 19. Jahrhundert in Europa überall üblich war: Wenn die Eicheln fielen, trieb man die Schweine in die Wälder, wo sie sich den Bauch mit den Waldfrüchten vollschlugen. Die Sache ist allerdings nicht ganz ungefährlich, denn Eicheln enthalten etwas Gerbsäure, die in grossen Mengen zu Magenverstimmung führen kann. Neben den Eicheln wurden auch Bucheckern, andere Samen und Wildfrüchte nicht verschmäht. Die Eichelmast brachte die Tiermast nicht in Konkurrenz zur menschlichen Ernährung, sie war allerdings auf die Monate September bis November begrenzt. Dann wurden die gemästeten Tiere geschlachtet und das Fleisch durch Pökeln und Räuchern haltbar gemacht. Zwar stehen auch in unserem Wald einige Eichen und Hagebuchen, viel zahlreiher sind aber die Edelkastanien. Auch sie eignen sich für die Mast von Schweinen und Schafen, hier standen die Tiere früher allerdings in Konkurrenz zum Menschen, für den die Kastanien wichige Nahrungsgrundlage waren. Aber unsere paar heissen Maroni, an Winterabenden im Feuer geröstet, sind heute Vergnügen geworden und nicht mehr unverzichtbarer Bestandteil unserer Ernährung. Die Kastanienmast funktionierte ganz ohne unsere Hilfe, es genügte, den Wald freizugeben. Die älteren Tiere kannten den Wink und trabten sofort los und bald verrieten nur die Glöcklein, wo die Herde gerade war. Da es im Wald keine Zäune hat, konnten sie sehr weit gehen und vermutlich gingen sie zuweilen weit über unsere Grenzen hinaus. Am Abend allerdings waren sie immer wieder im Stall und käuten wieder.

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