Unfertiges |
2015-11-10 PlanenPlanen sei eine gänzlich überflüssige und nutzlose Tätigkeit, weil schliesslich doch alles anders käme als geplant, habe ich irgendwo gelesen. Man kann es natürlich auch andersherum sehen: Gerade weil alles anders kommt als vorhergesagt, hilft die Planung, im Leben eine Struktur zu behalten. Klar, den Hier-und-Jetzt-Ideologen bedeutet Planung nichts, denn sie leugnen ja Vergangenheit und Zukunft. Und schliesslich kann man der Spezies der ewigen Planer begegnen, die vor lauter Planen zu keiner Ausführung kommen. Brrr - Planen oder nicht Planen, das ist hier die Frage!? Eng ist die Welt, und das Gehirn ist weit. Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen. Schiller, Wallenstein Ich baue gern Luftschlösser, pflege Illusionen und laufe Fantasien nach. Im Kopf ist alles möglich und das ist doch wunderbar! Am Übergang zur Realisierung helfen mir dann Schreiben und Zeichnen, oft zeichne ich in Fotos hinein oder baue Modelle. So taste ich mich an realisierbare Pläne heran, die dann in der Ausführung auch Bestand haben. Gleichzeitig Planer und Ausführer zu sein hat Vor- und Nachteile: Ich kann meine Pläne während des Bauens noch ändern, allerdings bin ich dabei auch schon in der Wüste gelandet... Ich weiss nicht, wie Architekten es schaffen, ganze Häuser auf dem Papier zu entwerfen, und sie dann Dritten zur Ausführung zu geben. Ich würde vermutlich verrückt beim Gedanken, irgendwo etwas vergessen zu haben! Kopfloses Draufloswursteln ist nicht unser Ding. Wir haben oft und viel und begeistert geplant und auch wieder verworfen, das Planen hat uns geholfen, den Weg durch unsere vielen Ideen und Illusionen zu finden. Selbstverständlich war schliesslich alles anders als geplant, selten schlechter, oft besser. NutzungsideeAls wir im April 1987 hier waren um den Kaufvertrag zu unterschreiben, war ein Rollmeter in unserem Gepäck. Einen ganzen Tag lang vermassen wir das Haus in allen drei Dimensionen und ich zeichnete die ersten Skizzen. (Was sich als recht anspruchsvoll erwies, denn viele rechte Winkel gibt es hier nicht.) Wir wollten bis zum Herbst wissen, wie wir das Doppelhaus nutzen wollten. Es lag nahe, die eine Hälfte zu einem Gîte auszubauen, das wir dann vermieten konnten und das uns etwas Geld einbringen würde. Die andere Hälfte wollten wir selber bewohnen, denn da waren vier grosse Wohnräume samt Keller und der Aufgang in den Estrich. In diesem Bereich lagen auch die Renovationen von Frau N: Ein Badezimmer und die Anfänge einer Küche. Sie fragen sich an dieser Stelle vielleicht, warum wir denn ein so riesiges Haus gekauft hatten? Das fragten wir uns tatsächlich auch, als wir merkten, wieviel Arbeit da vor uns lag. Damals war es einfach: Es gefiel uns und das genügte. Die Hirnforschung meint ja zu wissen, dass der Bauch uns durchs Leben führt und das Gehirn hinterher die Entscheidungen begründet. Aber unsere Gehirne hatten nichts zu kritteln, es gefiel uns auch, wenn wir die gigantische Arbeit sahen. Natürlich wussten wir im Grunde selber, dass es für unsere Mäusekräfte zu gross war, andrerseits fühlten wir so viel Tatendrang in uns, dass aus den Mäusen fast Elefanten wurden... Ich weiss schon, ich habe einen Hang zum Grössenwahnsinn. Wir zweifelten nicht, im Gegenteil. Wir zeichneten und diskutierten und im Oktober wussten wir tatsächlich, was wir aus dem Haus machen und wie wir vorgehen wollten. Wir wurden ungeduldig, wir wollten anfangen, dabei lag der schwierige Umzug noch vor uns. Im Osten: unsere WohnungDie vier Räume wollten wir vorläufig bewohnen, wie wir sie angetroffen hatten. Die Wohnküche mit dem grossen Cheminée war leer, da brauchte es eine provisorische Küche und etwas Helle und Gemütlichkeit. Es war abzusehen, dass diese Küche für die ersten Winter der einzige heizbare Raum sein würde. Frau N hatte nur das Cheminée zur Verfügung und wir dachten, es gleich zu halten. Die beiden Zimmer im ersten Stock machten wir zu unseren Schlafzimmern. Sie waren nicht schön, aber durchaus bewohnbar. Hinter der Küche hatte Frau N mit Zwischenwänden einen Korridor, ein Bad und eine Küche abgetrennt. Das würde später einmal ein grosszügiger Salon werden, im Moment nutzten wir nur das Badezimmer. Vom Korridor aus führten drei Stufen zur Heizung und weiter in die ehemalige Zisterne, die das Wasser von den Dächern gesammelt hatte, beor das Haus an die Wasserversorgung angeschlossen worden war. Die Öffnungen im Dach waren immer noch vorhanden, sie mussten schnellstens geschlossen werden, wenn wir den Raum trocken halten wollten. Im Westen: le GîteIn diesem Teil des Hauses fehlte ausser Elektrisch einfach alles. Die drei Räume waren wohl als Schlafzimmer genutzt worden, alle waren leer. Von der Terrasse aus betritt man den mit 36m² grössten Raum des Hauses, er sollte zur Wohnküche werden. An der hinteren Wand führten fünf Stufen zum «orangen Zimmer», hier hatte sich Frau N ein hübsches Schlafzimmer mit einem orangen Spannteppich eingerichtet. Von der Wohnküche aus gelangte man über eine steile Treppe ins Schlafzimmer über der Wohnküche. Dieser Raum war so gross, dass wir problemlos einen Treppenabsatz und ein Badezimmer abtrennen konnten. Aus dem Rest wollten wir ein schönes Schlafzimmer mit Blick auf den Hof einrichten. les DépendencesAlle übrigen Bauen, die beiden Scheunen und die verschiedenen Ställe - eben die dépendences - blieben vorläufig von der Planerei ausgeklammert. Wir nutzten sie als Abstellräume für unseren Plunder, den wir aus der Schweiz hergeschleppt hatten. Eine Ausnahme gab es vielleicht: Der Hühnerstall brauchte dringend ein neues Dach. Und Hühner hätte ich gern bald gehabt, und einen Hahn natürlich... LogistikAber natürlich, auch einen Zeitplan gab es! Allerdings keinen strengen oder verbindlichen, nur einen bis in den nächsten Sommer. Denn da wollten uns Marliese und Alois mit ihren Kindern besuchen, die Wohnung im Westen sollte also bewohnbar sein. Daraus ergab sich dann auch die Reihenfolge der Arbeiten: Wir begannen im Westen und lebten solange im Osten, zogen dann einen Winter lang in den Westen und packten unseren Teil im Osten an. Worauf der Westen im Sommer wieder grei sein musste für die Gäste. Trotz dieser absolut genialen Organisation lebten wir einige Sommer lang im Osten in Dreck und Staub. Planen ist eine durchaus nützliche SacheAuf dieser Seite standen Bauen und Restaurieren im Zentrum, daneben waren aber noch die Tiere, die im jahreszeitlichen Wechsel viel nicht aufschiebbare Arbeit gaben: Scheren, Misten, Heuen, Schlachten, und so weiter. Immer wieder mussten wir die Bauerei unterbrechen für Feuerwehr-Einsätze, die Planung hat uns geholfen zurückzugehen. Ich zähle sie keineswegs zu den nutzlosen Dingen. |