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2015-11-10

Kaufen und mehr

Schlitzohrige Spanier

Man hatte uns gewarnt! In Spanien hätten schlaue Füchse Grundstücke und Häuser gleich mehrfach verkauft, an ausländische Interessenten natürlich, und waren dabei meist ungeschoren davongekommen. Na ja, wie sollte zum Beispiel ein Deutscher aus 1500 Kilometer Entfernung und ohne ein Wort Spanisch in der Brieftasche sich wehren gegen ein spanisches Schlitzohr? Und ein Schweizer, der in Frankreich kaufen wollte, würde es ihm nicht gleich ergehen?! Ich erkundigte mich und stiess auf einen Verein mit dem Ziel, unerfahrenen Auswandereren zu helfen. Ich erstand ein Büchlein voller Hilfe und Tips und atmete auf: Was in Spanien möglich war, ging in Frankreich nicht: Frankreich führt Grundbücher, Handänderungen müssen von einem Notar beurkundet werden.

Heute ist ja fast alles einfacher: GOOGELN Sie nach «Auswandern nach Frankreich» und Sie haben ein halbes Dutzend Referenzen. Oder schauen Sie in die Brschüre des Schweizerischen Bundesamts für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (PDF). Es stammt zwar von 2004, gibt aber einen guten Eindruck von den administrativen Klippen, die Ihrem Vorhaben möglicherweise im Weg stehen.

Der Notar, dein guter Vater

Im April 1987 erschienen wir in Puydorat mit der Absicht, zusammen mit Herrn und Frau N zum Notar zu gehen. Sie schlugen uns M Schneider in Vergt vor, sie hatten ihren eigenen Kauf vor 15 Jahren da beurkunden lassen. Wir fuhren also zusammen hin und trafen in einem mit duklem Holz ausgeschlagenen Büro einen älteren, freundlichen Herrn, der uns mit unendlicher Geduld zuhörte, erklärte und schliesslich den Kaufvertrag aufsetzte. Margrit sollte als Käufer auftreten, wir hofften so, die Kosten der Agence zu sparen. Was wir als schlauen Trick verstanden, erwies sich später als teurer Irrweg. Aber das ist eine andere Geschichte...

Wir strapazierten unseren Notar ganz schön! Da waren einerseits uns holpriges Französisch und unsere totale Unkenntis französischer Gepflogenheiten und Vorschriften, andrerseits war da die Ungeduld von Herrn N. Endlich war da ein Käufer für das Haus, jetzt wollte er sein Geld sehen, und das am liebsten gestern... Als er erfuhr, wir hätten gar kein Geld bei uns, rastete er vollends aus, beschimpfte uns und war nur schwer zu bändigen. Wir nahmens eher gelassen: Nachdem er fast zwei Jahre gewartet hatte, kams doch wohl auf ein paar Tage auch nicht mehr an. M Schneider blieb souverän, löschte das Feuer und empfahl uns einfach, zurückzufahren und den Betrag auf das Konto des Notariats zu überweisen. Wenn das Geld da war, solte der Vertrag unterschrieben werden, Margrit stellte ein Vollmacht für einen Vertreter aus. Alles schien prima aufgegleist.

Oh Schreck!

Als wir drei Wochen später das dicke Kuvert von M Schneider öffneten, fielen wir fast vom Stuhl: Der Kaufvertrag war auf Margrit Kolb ausgestellt, Margrits Mädchennamen. Sie trug damals den Namen ihres geschiedenen Mannes, eine Frau Kolb gab es in der Schweiz gar nicht. Natürlich versuchte ich das richtig zu stellen und wieder reagierte M Schneider geduldig: In Frankreich würden Kaufverträge auf den Mädchennamen der Frauen ausgestellt und eben nicht auf den Namen des angeheiratenen Mannes. Was ja eigentlich eine kluge Einrichtung ist, denn der Mädchenname bleibt lebenslang gleich. Also alles in Ordnung, Entwarnung! Oder vielleicht doch nicht?

Das Intermezzo liess uns nachdenklich werden: Was hatten wir da angerichtet?! Margrit war jetzt Besitzerin einen Hauses im Périgord, ich hatte es bezahlt und mit etwas Glück durfte ich in Zukunft auch da wohnen... Jedenfalls konnte sie mich jederzeit zum Teufel jagen, ich selber hatte aber keinerlei Recht am Haus. Als der erste Schreck verflogen war, lachten wir über die Geschichte: Mea culpa, es war meine Idee gewesen und wir hatten tatsächlich die vorausgehende Konsequenzanalyse übersprungen! Margrit hat mich in der Folgezeit allerdings nie aus dem Haus geworfen und Jahre später haben wir die Sache dann eingerenkt.

Ein Haus für uns ...

Am 29. September 2004, gut 17 Jahre nach diesen turbulenten Tagen des Hauskaufs, standen wir vor dem Maire von Campsegret, M Leyx, und liessen uns trauen. Marliese und Alois waren Trauzeugen, aus Margrit wurde Frau Bickel und das Haus gehört seit diesem Tag uns beiden. Vorausgegangen waren allerdings ein weiterer Besuch beim Notaire und eine unendliche Lauferei wegen der nötigen Papiere. M Schneider war unzwischen im Ruhestand, wir suchten uns also jemanden in Bergerac und gerieten wieder an einen kompetenten und geduldigen Herrn.

Wir wollten einen Contrat de Mariage, der uns das gemeinsame Recht am Haus einräumte, sodass bei einem Todesfall keine Steuern anfallen würden. Die Sache erwies sich als verzwickter als wir gemeint hatten, denn rechtlich gesehen verkaufte mir Margrit ja die Hälfte des Hauses. Eine Grundbuchänderung war nötig und es fielen deswegen Steuern an. Der Notaire kam nach Puydorat, machte eine - wie er sagte - für uns günstige Schätzung des Hauses und wir bezahlten. Alles in allem überstiegen die Kosten dieses Transfers die Agentenkosten, die wir beim Kauf meinten schlauerweise eingespart zu haben. Na ja, nachher ist man immer klüger als wie zuvor...

Dann brauchten wir die nötigen Heiratspapiere aus der Schweiz, Familienbüchlein, Heiratsfährigkeitsausweis und noch einiges mehr. Niemand wusste so recht Bescheid, die Sekretärin auf der Mairie war zwar freundlich, kannte sich aber nicht gut aus, wir waren ja auch ein seltener Fall. Also Nachfrage auf dem Zivilstandsamt in Zollikon. Ja, das sei jetzt schwierig, denn die Zivilstandsämter der Gemeinden würden gerade zentralisiert und die Daten compiuterisiert, man werde sich aber kümmern. Schliesslich bekamen wir ein Papier, es war aber falsch, obwohl es CHF 30 gekostet hatte. In meiner Not ging ich auf die Mairie in Bergerac, schliesslich ist Bergerac eine Stadt und da sollte man es doch genau wissen. Sie wussten zumindest, wie das richtige Papier heisst und nachdem ich nochmals CHF 30 geblutet hatte, waren alle zufrieden.

... und eine Hochzeit für uns

An diese Zeremonie erinnere ich mich, wie wenn es gestern gewesen wäre! Die Mairie von Campsegret war damals noch neben der Post in einem winzigen Häuschen an der Strasse nach St-Julien. Im Vorraum hatte die Sekretärin alles bereitgelegt. Wir verkniffen den Übermut, Alois machte Sprüche, das Grinsen lag uns unmittelbar hinter den Augen. M Leyx versuchte ein feierliches Gesicht zu machen, legte sich die rot-weiss-blaue Schärpe über die Brust und begann. Mir begann zu dämmern, dass es für solche Anlässe ein genau vorgeschriebenes Protokoll gab und dass dieses ohne Rücksicht auf die aktuelle Situation durchgezogen werden musste. Ich war damals 66 Jahre alt, Margrit 55, trotzdem erhielten wir einige praktische Ratschläge fürs Leben: Zum Bespiel uns brav zu vermehren und gegen unsere Kinder nicht bitter zu sein...

Es war kalt und trübe in diesem schmucklosen Raum, November halt. Keine Blumen, keine Kerzen, nur kühle Amtlichkeit und dieser riesige Mensch, unser Maire. Er war wohl ungefähr in meinem Alter, vielleicht sogar etwas darüber, in seinem Amt etwas müde geworden, ein Bauer und seit Generationen im Dorf. Er wuchs buchstäblich über sich selber hinaus: Er blieb ernst und eisern, zog seine Sache durch bis zum abschliessenden Händeschütteln, während wir vier das Lachen nur sehr schwer verkneifen konnten - zu komisch dünkte uns alles. Aber schliesslich standen unsere Unterschriften unter dem Certificat de Célébration de Mariage, einem säuberlich von Hand geschriebenen Prokoll des Anlasses. M Leyx legte seine Schärpe nieder und wurde damit wieder Mensch wie du und ich. Jetzt lachte auch er, gratulierte herzlich und entliess uns. Draussen gabs natürlich Fotos unter dem traurig verhangenen Novemberhimmel und wir fuhren den Berg hoch zum Apéritif. An diesem Abend wollte ich unser Festmenü selber kochen, am folgenden Abend lud uns Alois ins Quatre Vents zu einem zweiten Festessen ein.

Bei meinem nächsten Besuch in der Schweiz kaufte ich eine grosse Schachtel Basler Läckerli für M Leyx. Ich fuhr zu seinem Haus und bedankte mich nochmals ganz herzlich für die schöne Zeremonie und seine warme Anteilnahme. Wir waren beide gerührt.

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